Drachenzyklus - Erinnerungen 1 - 3
von Xenia Holaya


Erinnerungen

„Gleich komme ich. Wir werden mir folgen.“ Xenia und Kaja standen auf einer Blumenwiese. Es war Hochsommer. Ein junges Mädchen hüpfte singend an ihnen vorbei. Es sah sehr glücklich aus, und in ihrer Hand hatte sie ein paar arg durchgeschüttelte Blumen. Sie bog in einen Hof ein, ein großer zottiger Hund rannte wie tollwütig bellend und knurrend auf sie zu. „Wolf! Sei artig! Schämst du dich denn nicht?“ Der Hund verbarg seine lange Nase unter ihrer Schürze und schien sich ganz arg zu schämen. „Bring mich zu Kathrin!“ Der Hund brachte sie schwanzwedelnd zu einer Gartenbank wo eine alte Frau saß. „Ich habe dir wunderbare Blumen gepflückt! Sie sind feuerrot und wasserblau. Kamille habe ich auch reingetan, weil du es so gerne riechst!“ „Danke mein gutes Kind.“ Sie strich dem Mädchen durchs Haar, anschließend wirbelte es um seine eigene Achse und fing an zu arbeiten. Sie schüttelte Betten, fegte die Stube und fing an Brot zu backen. Dann ging sie hinter das Haus in einen Gemüsegarten und fing an Salat zu verziehen. „Finchen! Gutes Kind dein Brot ist fertig. Es duftet schon sehr! Spute dich!“ Die Kleine schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, kicherte und stob Richtung Küche los. „Finchen komm her, Denke daran der Junge wird sehr traurig sein.“ „Bei mir zu hause ist auch alles trist, aber Mama sagt man soll sein Lachen nicht verlieren. Die Alte lächelte sanft, mit trüben Augen schien sie das Kind zu suchen. „Eigentlich hast du recht. Traurige Gesichter hat mein Urenkel bestimmt schon genug gesehen. Hole eine schöne Wurst aus der Kammer.“
Das Kind holte eine Wurst und molk eine Ziege. Anschließend hockte sie sich wieder in den Garten. „Kathrin! Sie kommen! Ich sehe die Kutsche!“ Auf einer nahenden Kutsche saßen zwei Frauen und ein Junge. Der Junge hatte dunkle Locken und fast schwarze Augen, dazu sehr helle Haut. Fast leblos saß er da. Der Wagen hielt. „Hallo Robert, ich bin Josefina. Eure Hausmagd.“ Sie knickste „Ich kümmere mich kurz um Atlas! Bis gleich!“ Sie schirrte das schwere dampfende Pferd ab, wusch es gründlich und schickte es auf die Weide. Als sie das Geschirr wegbrachte, kam ihr ein sehr großer breitschultriger Mann entgegen. Ein grimmiger Zug herrschte auf seinem Gesicht. „Josefina, das vorhin war sehr vorlaut! Es gibt viel wichtigere Dinge als dich! Du wirst nicht essen und bei der Kartoffelernte helfen.“ Das kleine Mädel nickte zerknickt und suchte nach passenden Worten für eine Entschuldigung. „Entschuldigen sie vielmals.“ Der Mann wandte sich schon fast um „aber ich war einfach zu aufgeregt! Ihr Neffe ist sehr hübsch! Wie eine Puppe…“ Eine Ohrfeige klatschte. Verwundert rieb sich Josefina die Wange, Tränen traten ihr in die Augen. „Verschwinde aufs Feld du vorlautes Ding!“ Er holte nochmals aus, schnell wirbelte sie herum, ihre nackten Füße patschten auf dem Weg.
Auf dem Feld standen einige Knechte. „Madeln? Was weinst du denn?“ „Hat er dich wieder geschlagen?“ „Was bist du auch immer so vorlaut!“ Alle Augen verrieten deutliches Mitgefühl „Arbeite ruhig langsamer wir können alle etwas schneller arbeiten..“ ein zustimmendes Grummeln kam von den anderen Männern „Das Hauke sie immer zu uns schickt! Nur weil sie so schnell ist, das sie mittags fertig ist…“ „Die letzte Magd war langsam und faul!“ „Und hatte immer schlechte Laune!“ „Und ist schwanger geworden! Ohne Mann!“ „Du bist für die Feldarbeit viel zu zart!“ Josefina strich sich das Flatterhaar aus dem Gesicht, und blickte trotzig in die Runde „Seid still! Man soll nicht schlecht von Anderen reden! Es war doch meine Schuld! Und Kathrin hat mir gestern das alte Brot mit heim geschickt. Im Haus war es heute nicht so viel. Ich bin voll fit!“
Liebevoll wuselte ein alter Knecht durch ihr Haar. Sie spannte sich und fing voller Eifer an zu arbeiten.


Erinnerungen 2

„Warum bist du heute hier? Du hast frei.“ Total verheult stand Josefina da. Kaja begriff das sie in einer anderen Erinnerung sein mussten. Xenia flüsterte „an dem Tag ist meine Mutter gestorben, sie war schon lange bettlägerig und seit fast 2 Jahren nicht aus dem Haus gekommen.“

„Herr, wäre es möglich dass ich hier Unterkunft beziehe?“ Hauke betrachtete sie ungerührt, er war bestimmt nicht deshalb sehr wohlhabend geworden weil er ein weiches Herz hatte. „Das wird dir aber vom Lohn abgezogen. Dann gibt es nur den halben Lohn.“ Josefina schien plötzlich noch etwas einzufallen „ich verzichte auf den ganzen Lohn wenn Anton hier bleiben darf.“ „Wegen eines alten Gauls? Meinetwegen. Aber das Futter musst du dir selber einholen. Wegen eines unnützen Fressers müssen meine Knechte nicht länger arbeiten.“ „ Ja, Herr, danke“. Kaja rätselte, wie alt war Josefina? Sie sah ihr unheimlich ähnlich. „Zwölf.“ Xenia lächelte sanft. Robert saß auf einer alten Steinmauer und las ein Buch. Er blinzelte halb verschlafen in die Sonne. „Warum hast du das getan?“ „Anton ist doch dem kleinen Hannes sein Lieblingspferd!“ „Wegen meinen Cousin?! Dem Lausebengel?“ „Er isst seit Tagen kaum mehr was und weint andauernd ´. Ich kann nicht noch mehr Leid ertragen, wenigstens er soll glücklich sein.“ Robert schnalzte ungeduldig mit der Zunge. „Bist du dumm! Hauke hätte den Gaul auch behalten wenn ich ihn gefragt hätte!“ „ Du hast ihn aber nicht gefragt.“ Er sah sie erstaunt an „woher hätte ich das denn Wissen können?“ „-Du hättest Hannes nur mal fragen müssen, oder ihn nur ansehen“. Wortlos saßen sie nur da, und blicken in den purpurnen Sonnenuntergang. Fast schien es das auch der Himmel vor Trauer sein Herzblut verlor.


Erinnerungen 3

Wieder ein Wechsel. Kaja blickte fragend zu ihrer Mutter. Doch die sah mit großer Anteilnahme dem geschehen zu. Josefina und Robert saßen Hand in Hand auf der Bank hinter dem Haus und blickten in den Sonnenuntergang. Wie alt war sie 15? Vielleicht 16? Die beiden blickten sich tief in ihre Augen. Innige Liebe sprach aus ihnen. Der Sonnenuntergang war rosa – rot als ob die Engel für Weihnachten backen würden und alle Öfen im Himmel anhaben, dass hatte zumindest Oberin Ruth erzählt.

Plötzlich kam von ging eine Gestalt ins Gemüsebeet. Hauke! Kaja erschrak, die beiden konnten Hauke nicht sehen! Dieser legte den Kopf schief und ging mit großen Schritten auf sie zu. Er holte aus und schlug Josefina ins Gesicht. „Josefina! Ich will dich hier nie, NIE wieder sehen. Verschwinde aus meinen Haus! Du billiges Flittchen! Sich an meinen Neffen ranzumachen!“ Robert stellt sich schützend vor Josefina „Josefina ist kein Flittchen! Und sie hat sich auch nicht an mich rangemacht!“ „ Du undankbarer Kerl! Wir haben dich hier nicht durchgefüttert damit du mit einer billigen Dirne rummachst!“ „Nein, ihr habt mich hier behalten, damit ihr später an das Erbe meiner Eltern rankönnt!“ „Halts Maul! Du warst meiner Tochter versprochen!“ „ Die will ich aber nicht!“ „Na warte, Dich schicke ich zu Onkel Arthur! In seiner Militärschule bist du gut aufgehoben! Der wird dir Manieren beibringen, dann weißt du wem du verpflichtet bist! Verschwinde, Luder!“ Er trat nach Josefina, packte Robert am Arm und schleppte ihn in die Wurstkammer. Dort schloss er ihn ein. Man hörte wildes Rumoren, ein Zeichen, das Robert sich nicht im geringsten damit abfand. Hauke schickte zwei Knechte rein, die mit einem verschnürten Robert herauskamen. Der Wagen war in der Zwischenzeit angespannt worden. Josefina rannte den Wagen hinterher. Robert hatte es irgendwie geschafft den Knebel loszuwerden „Josefina!!! Ich liebe dich!!! Ich hole Dich ab! In vier Jahren, an dem Bahnsteig!!!“ Ein Knecht ließ mit einem Augenzwinkern ein Amulett fallen. Das Josefina, die keuchte und sichtlich Schmerzen in der Seite hatte, sofort aufhob, es war das Amulett das Robert Tag und Nacht getragen hatte. „Ich Liebe dich auch!!!“ schrie sie mit letzter Kraft, bevor sie erschöpft und verzweifelt mitten auf dem Weg in die Knie ging und weinte. „Komm das reicht für heute.“ Sagte Xenia und nahm ihre Tochter an der Hand. „Morgen zeige ich dir mehr.“ Beim einschlafen hielt Kaja das Amulett in der Hand, welches Xenia ihr gegeben hatte, und ihr Vater einem hübschen Mädchen namens Josefina, das nun zerstümmelt und hart neben ihr saß. Sie schlief sofort ein. Xenia seufzte. Sie selber nahm es immer wieder mit das anzusehen, sie fühlte alles genau so, als ob es noch mal passieren würde. Doch ihre Haltung straffte sich. Sie verwischte Kajas Spuren, dann ihre eigenen und begab sich zur Ruhe.