HINTER DEM HORIZONT
von mary wood
Cassy stand wie jeden Morgen auch heute wieder schon um sechs Uhr auf. Sie zog sich an, ging runter in die Küche und frühstückte. Ihre Schüssel Frühstücksflocken war schnell aufgegessen und so machte sie sich mit Schal, Winterjacke und Handschuhen aus dem Staub. Ein kalter Wind wehte und Cassy musste ihren Mantel zumachen um noch ein wenig wärme zu bekommen. Sie marschierte gemütlich einige Minuten tiefer in den Wald wo sie selbstsicher wie sie war ihre kleine Morgenrunde machte. Ganz in Gedanken versunken schweifte ihr Blick mal in den noch dunklen Himmel, mal auf den vereisten Waldboden, mal in die Berge und natürlich auch ab und zu in Richtung der Bäume, welche sie noch kleiner erscheinen liessen als sie in Wirklichkeit gewesen wäre.
Plötzlich tauchte am Horizont eine geflügelte Gestallt auf, doch als Cassy ein zweites mal hinauf blickte war das mysteriöse Wesen auch schon wieder verschwunden. Vielleicht war es nur Einbildung…..es war bestimmt nur ein grosser Vogel….. oder… war es vielleicht doch….. ein …nein das konnte nicht sein…. Es gibt keine Drachen mehr….. oder besser gesagt es gab auch noch nie Drachen…..
Cassy drehte um und begab sich auf den Rückweg. Als sie aus dem Wald hinaus trat war es schon hell geworden das kleine Dorf in der ferne sah jedoch noch recht verschlafen aus, nur die Bauernhäuser hier draussen auf dem Land waren schon voller Leben.
Bis zum Mittag blieb Cassy in ihrem Zimmer und zerbrach sich ihren Kopf darüber was diesen Wesen gewesen sein könnte. Sie durchkämmte all ihre Tierbücher um ein vergleichbares Tier zu finden, doch das einzige welches annähernd an dessen aussehen herankam, war ein Flugsaurier welche jedoch schon seit jahrtausenden ausgestorben waren. Sie gab es auf und fand sich damit ab dass es wohl einfach Einbildung gewesen sein musste. Doch je länger sie tatenlos in ihrem Zimmer dahinlümmelte, je grösser wurde der drang noch mal in den Wald zu gehen. So machte sie sich mit ihrem Schäferhund falgo, fast jeder hier auf dem Feld hatte einen Schäfer oder einen Boarder Collie um das Vieh zu treiben, auf den Weg in den Wald.
Während sie lief blickte sie stets zum Horizont damit sie ja nichts übersehen würde. Nach einem langen Fussmarsch, glaubte Cassy plötzlich einen Echsen artigen Kopf am Horizont erhascht zu haben, doch war er beim zweiten hinschauen schon wieder verschwunden. Jetzt war sie sich ganz sicher dass dort hinten etwas sein musste und voller Tatendrang wollte sie eine Wanderung auf die andere Seite der Berge machen wo sie die, nun war sie sich sicher dass es welche waren, Drachen gesichtet hatte. Entsetzt bemerkte sie doch sobald sie ihren blick weder dem Himmel zuwand, dass es über den Baumkronen dunkel geworden war. So beschloss Cassy enttäuscht nach Hause zu gehen und dann am nächsten Morgen früh aus den Federn zu hüpfen und gleich mit dem lunch bepackt aufzubrechen. Sie war gerade erst eine halbe Stunde gegangen, als sie plötzlich hinter sich lautes Flügelschlagen hörte. Cassy drehte sich abrupt um und als sie die riesige Kreatur hinter sich erblickt, stolpert sie über eine Wurzel und verhakt sich mit ihrem Schal im Gebüsch. Verängstigt blickt sie sich nach Falgo um, doch dieser war, Sobald er den Drachen bemerkte, einfach abgehauen. In panischer Angst versucht sie sich loszureissen doch der Drache kam mit seinen scharfen grossen Krallen immer näher. Cassy war starr vor Angst und Entsetzten. Das Untier holte mit der Klaue aus, Cassy hielt sich wie zum Schutz die Arme vors Gesicht. Doch der erwartete Todesstoss erfolgte nicht. Sie spürte lediglich ein zupfen an ihrem Schal und hörte das Geräusch des Stoffes welcher zerrissen wurde. Verdutzt blickte die fünfzehnjährige zum Drachen hinauf. Dieser packte sie sogleich mit beiden Klauen und flog mit ihr geschickt durch den tiefen Wald.
Der Weg bis zum Fuss des Berges hatte der Drache in fünf Minuten geschafft, und auch beim aufwärts fliegen wurde sein Tempo nur minder verkleinert. So waren sie schnell auf der Spitze und konnten auf der einen Seite das ihr bekannte Dorf überblicken, und auf der anderen Seite hinunter schauen. Was sich nun vor Cassys Augen erstreckte war unfassbar; in einem Berg der Bergekette welche das ihr bekannte Dorf Tumb umrahmte, war ein grosser Krater, in der Mitte tümpelte ein himmelblauer See vor sich hin, auf seiner Oberfläche Spiegelten sich die Drachen wieder welche darüber schwebten. Alles wirkte idyllisch und ruhig. Auch die Flammen welche einige Drachen beim Spiel ausstiessen, trogen diese Ruhe nicht im Geringsten. Am Ufer und am Hang des Kraters waren vereinzelt kleine bescheidene Hüttchen zu erkennen aus welchen manchmal sogar ein wenig Rauch heraus kam. Und da entdeckte Cassy auch einige Menschen auf den rücken der Drachen.....
Wo bin ich hier nur?? Wie kommt es bloss dass wir ihm Dorf und auf unseren Feldern nichts von diesem Ort wissen? Und warum hat der Drache mich hier hin gebracht?
Cassy erwartete natürlich keine antwort auf diese Fragen doch genau das geschah nun. Sie hörte eine tiefe beruhigende Stimme und sah erschrocken zum Drachen hoch der sich ihr nun zuwand. „Das hier ist Dwarben, wir Drachen leben seit Jahren hier in unserem Land, doch einst kamen die Menschen und siedelten sich dort wo du gewohnt hast an. Es kümmerte uns erst nicht doch ab und zu sahen sie uns wenn wir nicht achtsam waren und so brachten wir diejenigen welche glaubten dass es uns wirklich gibt hier hin, so wie dich. Die meisten von eurer Rasse aber redeten sich ein dass es uns nicht gibt und so blieben wir unentdeckt. Und naja jetzt sind wohl deinen Fragen alle geklärt. Ich werde dich jetzt zu Paslad bringen. Komm sitz auf das ist bequemer…“
Noch ganz in Gedanken versunken über das was ihr der Drache mitgeteilt hat, stieg sie auf de Rücken des Tiers, „ ach ja noch etwas Cassy…. Mein Name ist Norbs“
Er stiess sich hart vom Boden ab und schwang seine roten ledrigen Flügel auf und ab. Erst jetzt hatte sie Zeit ihn richtig zu beäugen, obwohl sie eigentlich nicht viele Vergleichsmöglichkeiten hatte, empfand sie Norbs als ein sehr starker und schöner Drache. Er hatte schuppige, ledrige rote Haut , während er seine Flügel schwang spürte man jeden einzelnen Muskel, sein Gesicht sah, sofern sie dies beurteilen konnte, jung aus, er hatte Augen wie Opale welche einem sofort auffallen. Aus seinen weit geöffneten Nüstern stiess er ein wenig Rauch aus ansonsten war er absolut Still.
Sie flogen, so sah es jedenfalls für Cassy aus, auf eine normale Felsenklippe zu. Jedoch als sie näher kamen erblickte sie ein Loch, man könnte es schon fast eine Höhle nennen. Der rot schimmernde Drache landete behutsam auf seinen Beinen bei dem Vorsprung der Höhle. „So ab hier müssen wir laufen.“ Brummte ihr Norbs zu. Gesagt getan. Sie liefen tiefer in die Höhle hinein und in den drei Minuten Fussmarschs hatte Cassy ein wenig Zeit sich zu überlegen wer oder was dieser so genannte Paslad war, obwohl sie zu recht vermutete dass der Drache neben ihr ihre Gedanken hörte spekulierte sie über ihr weiteres Schicksal. Sie betraten zusammen einen grossen Hohlraum und Cassy sah ein weiterer, jedoch viel älter wirkender, Drache genau in der Mitte der Halle auf einer kleinen Erhebung thronen. Cassy fragte sich ob dies ihr Anführer oder so war und als sie nah genug an ihm dran wahren und er sich vorstellte, stellte sich ihre Vermutung als richtig heraus.
„hallo Norbs… ich habe dich hier schon lange nicht mehr gesehen…aber jetzt geht es nicht um dich, wie ich sehe hat wohl wieder jemand einen von uns gesehen-„ „ genau gesehen hat sie mich sogar gleich zweimal gesehen…“ viel Norbs Paslad ins Wort. „ ja das ist jetzt egal… also“ der Drache mit der tiefen und sehr weise klingenden Stimme räusperte sich, „also da du nun weißt dass es uns wirklich gibt und wir nicht irgendein Ammenmärchen sind, stellen wir dich vor die Wahl, entweder bleibst du hier in Dwarben und lebst mit den anderen hier besiedelten Menschen und natürlich mit uns zusammen, oder, wir lassen dich wieder zurück zu deiner Familie sofern du uns versprichst nichts von all dem zu erwähnen, niemals und niemandem! Wen du Letzteres wählst, und du es doch jemandem erzählst, werden sich einige von uns wieder hohlen und du wirst hier Leben müssen. Du kannst aber auch wenn du möchtest zu deiner Familie zurück und wenn du bereit für uns bist, hier hinauf steigen. Es ist deine Entscheidung“ Paslad wand seinen Kopf von ihnen ab und döste weiter vor sich ihn er wollte ihnen wohl damit bedeuten dass das Gespräch zu Ende war und so gingen sie zusammen raus auf den Vorsprung.
Cassy blickte zu den umher fliegenden Drachen und betrachtete noch mal die wunderbare idyllische Landschaft und sagte dann entschlossen „ ich möchte nachhause, jedoch werde ich in ein zwei Jahren wieder herkommen und ich verspreche niemandem irgendetwas zu sagen. Ehrenwort.“ Norbs nickte nur ohne dass man in irgendeiner Hinsicht erkennen konnte was er gerade dachte, und bat sie wieder auf seinen Rücken zu steigen um sie zurück in den Wald zu bringen.
Als er sich in die Lüfte schwang schaute Cassy sich noch mal sehnsüchtig das wunderschöne Dwarbs an, bevor sie es für einige Zeit wohl nicht mehr zu Gesicht bekommen werden würde, und liess sich in den Wald tragen. Dort angelangt half er ihr herunter und wollte schon gerade zurückfliegen, als sie noch zu gewannt sagte: „ich komm wieder ich verspreche es dir.“ „gut“ antwortete er knapp und stieg wieder in die Luft. Bevor Cassy in dem Wissen, ihn bald wieder zusehen, nachhause ging schaute sie dem Drachen noch nach bis sie ihn ganz aus den Augen verlor und er hinter den Bäumen verschwand.