Völkerkunde - 4. Klasse - 1. Quartal

Guten Tag, liebe Schülerinnen und Schüler!
Mein Name ist Amalthea Historia und ich darf euch ganz herzlich zu unserer ersten Völkerkundestunde in diesem Schuljahr begrüßen.
In diesem Unterricht werdet ihr etwas über einige interessante Völker dieser Erde lernen. Ich habe überwiegend Völker ausgewählt, über die sonst wenig berichtet wird. Meistens handelt es sich um Minderheiten, die darum kämpfen, ihr traditionelles Leben weiterführen zu dürfen. Aber ich werde auch aussterbende Völker vorstellen. Natürlich kann ich keine umfassende Darstellung geben. Ich werde mich aber bemühen, wichtige Aspekte herauszugreifen.

In der vierten Klasse beschäftigen wir uns mit europäischen Völkern. Das Thema dieser Stunde sind:

Die Sorben

Geschichte

Die Sorben, auch Wenden genannt, sind ein slawisches Volk, das bereits im 631 als "Surbi" urkundlich erwähnt wurde. Die Bezeichnung "Wenden" geht auf den Begriff "Venedi" zurück, mit dem römische Gelehrte slawische Völker bezeichneten. Ursprünglich gehörten etwa 20 Einzelstämme zum Volk der Sorben. Sie besiedelten im Zuge der Völkerwanderung ein 40000 km² großes Gebiet zwischen Elbe/Saale, Erzgebirge, Queis, Bober, Frankfurt/Oder, Köpenick und Zerbst.
Aber schon gegen Ende des 10. Jahrhunderts hatten alle sorbischen Stämme infolge von kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Unabhängigkeit verloren und passten sich nach und nach ihrer Umgebung an. In manchen Gebieten waren die Machthaber etwas toleranter. So konnten sich in der Ober- und Niederlausitz im 18. Jahrhundert nicht nur die beiden sorbischen Schriftsprachen entwickeln, sondern auch viele sorbische Traditionen überleben.

Siedlungsgebiet

Heute gibt es noch ungefähr 60000 Sorben. Ihr Siedlungsgebiet ist die Lausitz, die seit etwa 1000 Jahren innerhalb Deutschlands liegt.
Zwei Drittel der Sorben sind Obersorben. Sie leben in der Oberlausitz im Osten von Sachsen, insbesondere in den Städten Bautzen, Kamenz (und den zugehörigen Landkreisen) und Hoyerswerda und im Oberlausitzkreis. Der Mittelpunkt des obersorbischen Lebens ist Bautzen.
Das restliche Drittel sind Niedersorben. Sie leben im Südosten von Brandenburg in Cottbus und Umgebung, sowie in den Landkreisen Calau, Spremberg, Forst, Guben und Lübben. Cottbus ist das Zentrum der Niedersorben.

Die sorbischen Sprachen

Die sorbische Sprache wird durch zwei Schriftsprachen, zahlreiche Dialekte und Mundarten geprägt.
Die Unterschiede zwischen Obersorbisch und Niedersorbisch reichen bis in die Zeit der Einwanderung in die Region zurück. Beide Sprachgruppen sind Nachfahren unterschiedlicher altsorbischer Stämme. Das Obersorbische zeichnet sich durch eine größere Nähe zum Tschechischen aus, während das Niedersorbische eine größere Nähe zum Polnischen aufweist.

Das Niedersorbische unterscheidet sich vom Obersorbischen durch eine weichere Aussprache der Konsonanten und einen weicheren Klang. Schon früh bemühte man sich, es zur Schriftsprache zu entwickeln. Der erste überlieferte sorbische Text ist der "Bautzener Bürgereid" aus dem Jahr 1532.
Das früheste schriftliche Zeugnis des Niedersorbischen ist eine handschriftliche Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Jahr 1548. Das erste gedruckte Buch ist ein Gesangbuch mit Katechismus aus dem Jahr 1574. 1650 wurde eine niedersorbische Grammatik verfasst. Auf dem Bild seht ihr die Titelseite einer Predigtensammlung aus dem Jahr 1792.

Titelseite einer Predigtensammlung

Der Dichter Christian Friedrich Stempel (1787-1867) schrieb Fabeln, Märchen und Sagen nieder und verfasste mehrere Epen und umfangreiche Verskunstwerke. Seit 1848 erschien das niedersorbische Wochenblatt "Bramborski Casnik", wodurch eine neue Entwicklung der Sprache eingeleitet wird, da jetzt auch schriftlich über Politik, Kunst und Wissenschaft diskutiert wurde.

Als erstes obersorbisches Buch erschien 1595 ein Katechismus mit Erläuterungen. 1679 gab es die erste obersorbische Grammatik in gedruckter Form. 1706 folgte eine Übersetzung des Neuen Testaments. Der Dichter Jurij Mjen (1727-1785) verfasste die ersten weltlichen Gedichte. Ab 1842 erschien die obersorbische Wochenzeitschrift "Serbske Nowiny" (ab 1920 als Tageszeitung).

In der Folgezeit wurden beide sorbischen Sprachen aber mehr und mehr aus Schulen, Kirchen und dem öffentlichen Leben verdrängt bis zum absoluten Verbot in der NS-Zeit.

Heute bemüht man sich, die sorbischen Sprachen vor dem Aussterben zu bewahren. Im sorbischen Siedlungsgebiet ist neben Deutsch auch die sorbische Sprache Amtssprache. Öffentliche Gebäude und Straßenschilder sind zweisprachig beschriftet. In Behörden und bei Gericht wird auch Sorbisch gesprochen.
Das Schulgesetz sichert sorbischen Kindern das Lernen der sorbischen Sprache zu und in einigen Schulen auch muttersprachlichen Unterricht in manchen Fächern. An 74 öffentlichen Schulen ist Sorbisch Unterrichtsfach, wovon 13 auch muttersprachlichen Unterricht anbieten. Gegenwärtig nehmen ca. 5000 Kinder am Sorbischunterricht teil. In Bautzen gibt es ein obersorbisches und in Cottbus ein niedersorbisches Gymnasium. Zahlreiche Volkshochschulen bieten sorbische Sprachkurse an. Als berufsbildende Einrichtungen gibt es die Sorbische Fachschule für Sozialpädagogik und das Institut für Sorabistik an der Universität Leipzig, das Lehrer für das Fach Sorbisch ausbildet. Es gibt 15 sorbische und 25 zweisprachige Kindertagesstätten.

1958 wurde von dem Schriftsteller Jurij Brezan der Domowina-Verlag gegründet. Dort erscheint immer noch die Tageszeitung "Serbske Nowiny" (Sorbische Zeitung) in obersorbischer Sprache, die Wochenzeitung "Nowy Casnik" (Neue Zeitung) in niedersorbischer Sprache, sowie monatlich die Kulturzeitschrift "Rohzlad" (Umschau), die Fachzeitschrift "Serbska sula" (Sorbische Schule) für Lehrer und eine Kinderzeitschrift in Ober- und Niedersorbisch. Dort werden auch Schulbücher, Kinder- und Jugendbücher, sowie klassische und moderne sorbische Literatur verlegt. Auch die Bücher von Jurij Brezan erscheinen dort in sorbischer Sprache. Am bekanntesten sind seine Romane, die die Sagengestalt des Meister Krabat zum Thema haben.

Titelbild der Krabat-Erzählung
Hier seht ihr das Titelbild einer älteren Taschenbuchausgabe der Krabat-Erzählung auf Deutsch.

Für den Erhalt der sorbischen Sprache sorgen natürlich auch die zahlreichen Vereine und Einrichtungen der 1912 gegründeten Domowina (Bund Lausitzer Sorben). Das Sorbische Institut forscht auf den Gebieten der sorbischen Sozial- und Kulturgeschichte, der Sprachentwicklung, der Volkskunde und der Kultur- und Kunstwissenschaften.

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sendet ein Radioprogramm in obersorbischer Sprache, während Radio Berlin-Brandenburg (RBB) niedersorbische Sendungen in sein Radioprogramm aufgenommen hat. Beim MDR gibt es eine obersorbische (Wuhladko), bei RBB eine niedersorbische Fernsehsendung (Lužyca).

Sorbische Musik

Die Sorben entwickelten aufgrund fehlender höfischer Schichten keine höfische Musikkultur, verfügen jedoch über einen reichen Schatz an Volksliedern und instrumentaler Volksmusik. Als typische sorbische Volksmusikinstrumente gelten die dreisaitigen Fideln, der Dudelsack und die schalmeiähnliche Tarakawa. Im 18. Jahrhundert gab es die erste sorbische geistliche Musik und im 19. Jahrhundert die erste Kunstmusik, die durch Gesangsfeste verbreitet wurde.

Sorbische Volkskunst

a) Hausbau
Überall in der Oberlausitz und den angrenzenden Gebieten sieht man sogenannte Umgebindehäuser. Sie sind ein bedeutendes Zeugnis einer einmaligen Volksarchitektur in Europa. Sie vereinen auf originelle Weise den deutschen Fachwerkbau mit dem altslawischen Blockbau.

Sorbisches Haus

Auf dem Bild könnt ihr sehen, dass das untere Stockwerk des Hauses aus hölzernen Säulen, Ständern und Rahmen besteht, die durch ein hölzernes Kopfband darüber miteinander verbunden sind. Das ist das Umgebinde. Es umgibt die Blockstube im Erdgeschoss, die aus waagerecht übereinanderlegten Holzbalken mit Eckverbindungen besteht. Es trägt auch die gesamte Last der Fachwerkstockwerke darüber und das Dach! Die ersten Umgebindehäuser entstanden im 14. und 15. Jahrhundert. Mit dem Aufkommen der Handweberei fanden sie weite Verbreitung, da das Raumklima der Holzstuben für Naturfasern besonders günstig ist. Umgebindehäuser sind oft prächtig ausgestattet mit Holzschnitzereien, schön gearbeiteten Granit- und Sandsteintürstöcken und mit Schiefer verkleideten, verzierten Giebeln.

b) Trachten
Im sorbischen Siedlungsgebiet gibt es noch einige hundert Trachtenträgerinnen, die die Tracht auch im Alltag tragen. An der Tracht kann man erkennen, aus welcher Gegend die Frau kommt, ob sie evangelisch oder katholisch, ledig oder verheiratet ist. Insgesamt gibt es vier verschiedene sorbische Volkstrachten und die Festtagstracht, mit der wir uns näher beschäftigen wollen.

Sorbische Festtagstracht

Die sorbische Festtagstracht der Frauen, die heute noch an Feiertagen und zu besonderen Gelegenheiten auch von jungen Leuten und Kindern getragen wird, ist sehr kunstvoll und aufwändig gearbeitet. Die Farbskala der Röcke (Kosula) ist groß. Sie reicht von Rot, das gern von ledigen Frauen getragen wird, über Grün, das die verheirateten Frauen bevorzugen, bis Blau und Lila. Schwarz ist für religiöse Festlichkeiten vorgesehen. Man wird bei der Festtagstracht nie einen weißen Rock antreffen, denn die Farbe Weiß stand bis 1900 für tiefe Trauer. Unten am Rock ist ein Seidenband aufgenäht, das mit Blüten und Ranken bestickt und mit Samtband und Spitze verziert ist. Da der Rock hinten in sehr dichten Falten genäht ist, kann dieses Band leicht eine Länge von 3,50 m erreichen. Um die Schultern wird ein Seidenhalstuch (Cypjel) gelegt, das ebenfalls mit Blumenranken bestickt und mit Spitze verziert ist.

Halstuch und Kopfputz

Zur Festtagstracht gehört außerdem eine weiße Spitzenschürze, die den farbigen Rock vollständig bedecken kann, und ein farbiges Schleifenband aus Seide. Damit nichts verrutschen kann, werden Band und Halstuch mit ca. 40 Nadeln am oberen Teil des Rockes befestigt. Das schafft man bzw. frau nur mit Hilfe und es dauert ganz schön lange, bis alles richtig sitzt! Die Festtagstracht wird in manchen Gegenden durch das Kopftuch, oder besser gesagt die Haube (Lapa) vervollständigt. Sie ist der größte Kopfputz im Spreewald. Eine Pappe dient als Gestell, an dem das bestickte Seidentuch mit Nadeln befestigt wird.

Sorbische Frauen in ihrer Tracht

Die Herstellung der Haube ist eine alte Kunst, die nur von wenigen ausgeübt wird. Für eine vollständige Festtagstracht müssen 1500-2000 Euro ausgegeben werden.

c) Bräuche
Aus der Vielzahl der sorbischen Bräuche habe ich nur einige ausgewählt.

Vogelhochzeit: Am 25. Januar heiraten nach altem Volksglauben die Vögel. In der Lausitz halten an diesem Tag die Elster als Braut und der Rabe als Bräutigam Hochzeit. Schon am Vorabend stellen die Kinder Teller vor die Tür, auf denen sie am nächsten Morgen Süßigkeiten und Gebäck in Vogelform finden. Das ist die Belohnung dafür, dass die Kinder im Winter die Vögel gefüttert haben. Die Vogelhochzeit mit anschließendem Hochzeitsschmaus wird von den sorbischen Kindern mit Begeisterung gespielt. Das Vogelbrautpaar wird von zwei Kindern in Festtagstracht dargestellt. Andere Kinder nehmen als Vögel verkleidet am Hochzeitsschmaus teil. Die Wurzeln dieses Brauchs reichen bis in die Zeit zurück, als man das Erscheinen bestimmter Vögel, vor allem Lerchen, mit dem nahenden Frühlingsbeginn in Verbindung brachte. Mit den Vögeln sollten die für die Fruchtbarkeit der Erde zuständigen Geister zurückkehren.

Zampern: Das Zampern ist ein Brauch zur Austreibung des Winters. Am Faschingsdienstag ziehen Kinder und Jugendliche verkleidet durchs Dorf, singen vor jedem Haus ein Lied und bekommen Süßigkeiten und Geld.

Verzieren von Ostereiern: In der Niederlausitz werden seit Jahrhunderten Ostereier kunstvoll verziert. Man unterscheidet zwischen Kratz-, Ätz-, Wachs- und Bossiertechnik. Bei der Kratztechnik wird das Ei zunächst gefärbt und dann mit einem spitzen Gegenstand vorsichtig Ornamente und freie Motive eingeritzt. Man kann sehr feine Muster ausführen, aber keine Korrekturen vornehmen. Das Gleiche gilt für die Ätztechnik. Auch hier wird das Ei zunächst gefärbt. Die Muster entstehen durch das Auftragen von verdünnter Salz- oder Zitronensäure mit einer Schreibfeder. Bei der Wachstechnik werden die Muster aus Wachs gebildet, das mit kleinen Gänsefedern und Stecknadelkuppen auf das ungefärbte Ei aufgetragen wird. Danach werden die Eier kalt gefärbt. Zum Schluss wird das Wachs vorsichtig erhitzt und abgewischt. Bei der Wachsbossiertechnik werden farbige Wachsmuster auf das ungefärbte oder hell gefärbte Ei aufgetragen und verbleiben dort.

Bemalte Ostereier

Auf diesem Bild seht ihr ein paar Beispiele dieser jahrhundertealten Kunst.

Und hier sind eure Hausaufgaben!

Ihr könnt für die Hausaufgabe auch [ dieses Word-Dokument ] benutzen.

Löst das folgende Silbenrätsel. Für jedes herausgefundene Wort erhaltet ihr drei Punkte.

bat - baut - baut - bin - bos - bre - bür - bus - cott - de - den - do - eid - ge - gel - ger - haus - hoch - ju - ka - kra - la - mo - na - ner - nik - pa - ra - rij - sier - ta - tech - wa - um - vo - wen - wi - zan - ze - zeit - zen

1. So werden die Sorben auch genannt
2. Wichtige Stadt für die Obersorben
3. Wichtige Stadt für die Niedersorben
4. Erster überlieferter sorbischer Text
5. Bekannter sorbischer Schriftsteller (Vor- und Nachname)
6. Sorbischer Verlag
7. Sorbische Sagengestalt
8. Sorbisches Blasinstrument
9. Hausform in der Lausitz
10. Kopfhaube der sorbischen Festtagstracht
11. Bei diesem Fest verkleiden sich die Kinder als Vögel
12. Verziertechnik für Ostereier

Zusatzaufgabe für besonders eifrige Schüler, die gern mehr Punkte haben möchten:
Findet heraus, wann die sorbischen Radioprogramme gesendet werden (Wochentage, Uhrzeiten), an welche Personengruppen sie sich wenden (Kinder, Erwachsene...) und was ihre Inhalte sind (Hörspiele, Musik...).

Ich hoffe, der Unterricht hat euch Spaß gemacht und wir sehen uns im nächsten Quartal wieder.

Habt ihr Fragen oder Anregungen? Nutzt den Hausaufgabenthread im Schulforum! Ich werde mich bemühen, jede Frage so schnell wie möglich zu beantworten.



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Urheber eines Werkes ist laut dem Urheberrechtsgesetz in Deutschland und Österreich derjenige, der es geschaffen hat.
Das Copyright dieses Unterrichtstextes liegt ausschließlich bei acm1961 · Mail: acm1961@gmx.de · Dieser Unterricht wurde nur in Mandragoras veröffentlicht.