Guten Tag, liebe Schülerinnen und Schüler!
Mein Name ist Amalthea Historia und ich darf euch ganz herzlich zu unserer ersten Völkerkundestunde in diesem Schuljahr begrüßen.
In diesem Unterricht werdet ihr etwas über einige interessante Völker dieser Erde lernen. Ich habe überwiegend Völker ausgewählt, über die sonst wenig berichtet wird. Meistens handelt es sich um Minderheiten, die darum kämpfen, ihr traditionelles Leben weiterführen zu dürfen. Aber ich werde auch aussterbende Völker vorstellen. Natürlich kann ich keine umfassende Darstellung geben. Ich werde mich aber bemühen, wichtige Aspekte herauszugreifen.
In der fünften Klasse beschäftigen wir uns mit Völkern, die den amerikanischen Kontinent bewohnen. Das Thema dieser Stunde sind:
Die Inuit
Geschichte
Die Inuitvölker besiedelten den arktischen Teil Amerikas bereits viele tausend Jahre vor Christus. Damals lag der Meeresspiegel viel niedriger als heute und die Kontinente waren durch Landbrücken miteinander verbunden. Die Vorfahren der Inuit kamen über die damals geschlossene Beringstraße auf dem Landweg aus Sibirien. Sie drangen auf ihrem Weg nach Osten bis nach Grönland vor. Sie wurden von den weiter südlich wohnenden Indianern verächtlich "Eskimo" (Rohfleischesser) genannt. Sie selbst nennen sich "Inuit" (Menschen).
Heute leben noch etwa 100000 Inuit im Norden Kanadas, in Alaska und Grönland.
Lebensweise
Früher zogen die Inuit im Sommer als nomadische Jäger und Sammler zur Küste und legten Vorräte für den Winter an. In den restlichen Monaten zogen sie umher und erlegten Karibus, Robben, Wale und Eisbären. Sie verwerteten jeden Teil des erlegten Tieres als Nahrung, für Kleidung, Zelte, Waffen und Werkzeuge. Im Winter vertrieben sie sich die Zeit mit Musik, Geschichtenerzählen und Spielen.
Heute leben die meisten Inuit in festen Siedlungen. Sie sind in kleinen Familienverbänden organisiert und kennen keine Hierarchie (Rangordnung), auch nicht zwischen Mann und Frau. Allerdings hat jedes Familienmitglied seine festen Aufgaben. Der Mann ist immer noch für das Herbeischaffen der Nahrung zuständig, während die Frau die Kleidung anfertigt. Kinder leben bei den Inuit in einem Kinderparadies. Sie werden umhegt, haben aber alle Freiheiten. Nur im Notfall werden sie durch Verbote gestoppt. Sie werden früh selbstständig und handeln nach ihrem eigenen Willen. Inuit erziehen durch das eigene Vorbild. Die respektvolle Haltung gegenüber Kindern hat auch einen spirituellen Grund. Obwohl die Inuit heute Christen sind, glauben sie, dass die Seele eines Toten auf ein Neugeborenes übergeht, wenn das Baby den Namen des Verstorbenen erhält. Einem Vorfahren würde man aber niemals Vorschriften machen. Ähnlicher Respekt wird den Tieren entgegengebracht. Vor der Jagd werden sie gefragt, ob man sie jagen darf, und nach dem Erlegen werden sie um Verzeihung gebeten.
Kleidung
Die Temperaturen in der Arktis können locker Werte von -50°C und kälter erreichen. Zum Überleben in der Arktis ist die richtige Kleidung wichtiger als Feuer und Nahrung. Am besten schützt Leder- und Fellkleidung vor der starken Kälte. Die Herstellung der traditionellen Kleidung wird auch heute noch von den Frauen übernommen. Früher trugen die Inuit als Unterkleidung ein Kapuzenhemd aus Vogelbälgen, das mit den Federn nach innen getragen wurde. Für ein Hemd wurden 100 Krabbentaucherbälge benötigt. Die Beine wurden mit Kamiks bedeckt. Das sind Unterhosen, die wie Strumpfhosen aussehen. Sie wurden aus Seehund- oder Karibuhaut genäht. In den Kamiks wurden noch Innenstiefel aus Hasenfell getragen. Über die Kamiks zog man Hosen aus Fuchs- oder Eisbärfell. Als nächste Schicht wurden ein Parka aus Karibufell und Fellstiefel übergestreift. Handschuhe aus Seehundfell durften nicht fehlen.
Hier seht ihr ein Inuitkind in traditioneller Kleidung. Die Aufnahme wurde im Jahr 1927 gemacht.
So waren die Inuit optimal vor der Kälte geschützt, da die Luft zwischen den Fellhaaren eine ausgezeichnete Isolierung ist. Es ist nicht nur wichtig, dass die Kleidung die Wärme speichert, wenn man sich nicht bewegt. Sie darf auch nicht durch Schweiß feucht werden, wenn man sich anstrengt, da sie dann sofort die Isoliereigenschaften verliert und beim Abkühlen steif gefriert! Die Kleidungsstücke wurden mit Sehnen und Knochennadeln zusammengenäht und mit Stickereien, später auch mit Glasperlen verziert, die die Inuit von weißen Händlern bekamen.
Nahrung
Inuit leben hauptsächlich von Fleisch, Speck und Fisch. Sie jagen immer noch Karibus, Robben, Wale und Eisbären.
Heute benutzen sie Gewehre. Früher jagten sie Robben und Wale mit Harpunen und Karibus und Eisbären mit Speeren und Pfeil und Bogen. Die Krabbentaucher wurden im Flug mit Netzen gefangen, die Schmetterlingsnetzen ähneln, aber viel größer waren.
Der Kalorienverbrauch eines Jägers liegt auch heute noch bei 3600 Kalorien. Wie schaffen es die Inuit, ihren Nährstoffbedarf fast ausschließlich durch Fleisch und Speck zu decken ohne krank zu werden? Speck besteht im Wesentlichen aus Fett, einem sehr starken Energielieferanten. Das Fleisch von Wildtieren hingegen enthält fast nur Proteine. Das sind Eiweißstoffe, die zwar wichtig für den Aufbau von Körpergewebe wichtig sind, aber kaum Energie liefern. Dachte man! Auf Europäer und verwandte Völker trifft das tatsächlich zu, aber der Stoffwechsel Inuit setzt die Proteine sehr effizient in Glucose, also Zucker, um. Das ist eine Folge der bereits seit vielen tausend Jahren andauernden Anpassung an ihre Umwelt. Die Vitamine A und D werden durch Fischöle und Robbenspeck aufgenommen. Robbenleber und die Haut des Narwals enthalten sehr viel Vitamin C. Die schwammartigen Teile der Robbenknochen enthalten zudem das für den menschlichen Organismus notwendige Kalzium. Fatal wirkt sich eine Änderung der traditionellen Ernährungsgewohnheiten aus. Die Einführung von Keksen bewirkte reihenweise Magenbeschwerden, kaputte Zähne und Durchfall.
Unterkünfte
Natürlich denkt jeder bei der Behausung der Inuit sogleich an Iglus aus Schnee. Das Wort "Iglu" steht in der Inuitsprache aber allgemein für "Haus". Nur Europäer verbinden damit das kuppelförmige Schneehaus. Diese Wohnform war nur für die Zeit des Umherziehens bei Kälte gedacht. Auch heute geht kein Inuit ohne sein Schneemesser oder seine Schneesäge auf einen Jagdausflug, denn das schnelle Bauen einer Unterkunft kann bei einem Wetterumschwung lebensrettend sein. Ein massives Schneehaus für einen längeren Aufenthalt wird aus quaderförmigen Schneeblöcken einer bestimmten Konsistenz erbaut. Sie werden kreisförmig angeordnet, wobei die oberen Flächen nach innen abgeschrägt werden. Die Blöcke werden in einer sich verengenden Spirale übereinandergestapelt und bilden nach mehreren Runden eine Kuppel. Zum Schluss werden ein paar Eisplatten als Fenster eingesetzt. Der Eingang wird als Tunnel gegraben, damit Wind und Kälte nicht eindringen können. Oft liegt er sogar unterirdisch. Im Iglu werden Temperaturen zwischen -6°C und +4°C erreicht. Das ist im Vergleich zu den -50°C draußen richtig gemütlich. Viel wärmer darf es auf keinen Fall werden, denn dann fängt das Schneehaus an zu schmelzen und durchnässt die Bewohner.
Auf diesem Bild aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts seht ihr einen jungen Inuit, der im Eingangstunnel seines Schneehauses steht, der schräg nach unten in das links sichtbare Haus führt. Ihr könnt sogar das Eisfenster erkennen.
Im Sommer wohnten die Inuit früher in Zelten aus Fell. Sie schliefen aber nicht auf dem Boden, sondern legten im Zelt einen Steinsockel an, den sie mit Steinplatten oder Holz belegten. Das Fellzelt wurde über Holzstangen gespannt, die mit Steinen verankert wurden. Bei schlechtem Wetter wurde ein weiteres Außenzelt darüber gespannt.
Das Winterquartier war früher ein Haus, dessen Steinplattenboden auf Steinblöcken ruhte und dessen Wände und Dach ebenfalls aus Steinplatten errichtet wurde. Manchmal wurden auch Walknochen oder Treibholz verwendet. Das Dach wurde mit Rasenstücken gedeckt. Vor dem Eingang befand sich ein Tunnel aus Steinplatten. Licht gab es durch Öffnungen, die mit Seehunddarm bedeckt waren.
Fortbewegung
Bis ins letzte Viertel des letzten Jahrhunderts wurden zur Fortbewegung meistens Schlitten eingesetzt, die von Hunden gezogen wurden. Sie wurden aus Holz gebaut und mit Lederriemen zusammengebunden. Es gab unterschiedliche Schlittenmodelle, die der jeweiligen Umwelt optimal angepasst waren.
Heute sind Motorschlitten gebräuchlich.
Auf dem Wasser fuhren die Inuit mit einem ungefähr 9 m langen Boot, dem Umiak. Es bestand aus Seehundfell, das über einen Rahmen aus Holz und Knochen gespannt wurde. Es konnte 8-9 Mann Besatzung aufnehmen und wurde für Transporte, aber tatsächlich auch zur Waljagd benutzt!
Daneben gab es noch das Kajak, ein sehr schlankes, wendiges Boot für eine Person.
Es kenterte sehr leicht, aber die Inuit haben schon früh eine Technik entwickelt, das Boot mithilfe ihres Paddels wieder aufzurichten. Das ist auch bitter nötig, weil die meisten Inuit nicht schwimmen können.
Sprache und Schrift
Die Sprache der Inuit besteht aus verschiedenen regionalen Dialekten und ist anders aufgebaut als wir es gewohnt sind.
Hier ein Beispiel:
Tugto | ein Karibu |
Tugtossuak | ein großes Karibu |
Tugtossuaksiok | jage ein großes Karibu |
Tugtossuaksiokniak | Ich jage ein großes Karibu. |
Tugtossuaksiokniakpunga | Ich werde ein großes Karibu jagen. |